Montag, 3. Oktober 2016

(33) Rückwärtsgewandter Retrokitsch

Ein paar Souvenirs und Spesenzettel, die mir bleiben. 
Der erste Post auf diesem Echtzeit-Blog ist der letzte, und der Anfang ist das Ende. Dem Leben muss man ja immer wieder etwas Sinn abtrotzen. Sonst geht man unter. Und mögen auch die Gelegenheiten im Alltag rar sein, wo man Heldentum beweisen kann. Es gibt sie noch. Das historische Radrennen «L'Eroica» ist so eine. Sie kommt übrigens alle Jahre wieder, und ja, es war sehr schön, bei der Ausgabe XX. dabei zu sein, ach herrje, tempi passati, wider das Vergessen! 

(32) Ciao Davide


         
Braucht es wirklich ein Souvenirs? Rhetorische Retrofrage.
Im Stadtverkehr von Firenze erleben wir im Auto, wie vielseitige Vorteile das Velo im Alltag hat. Einer flitzt im Fixie mit ultrabreitem Lenker an uns vorbei, mit den Füssen bremsend, hat ja keine Bremsen. Aber wir ein Navi, das uns sogar pünktlich zum Bahnhof bringt. Für Davide keine Zeit, ein andermal. «Bisch jetzt sportlich?» fragt mich meine Liebste zuhause. Alles wieder normal, also.

(31) Lorbeeren

Eroici telefonieren sofort den Liebsten, um die heile Ankunft zu melden.
Die Medaille holen wir noch ab, den letzten Stempel aber verhänge ich. Ich bin müde. Und die Pastaparty schenken wir uns auch. Teamorder von Klaus, jetzt nur nicht absitzen, sonst kommen wir nicht mehr hoch. Wir haben Teamessen stattdessen zuhause in Lecchi. Der letzte Aufstieg ins Castello ist etwas langsamer als gewohnt. Und mir passiert etwas, was mir noch nie passiert ist: Ich lasse das Dessert aus und gehe vor meinen Freunden schlafen. Am anderen Morgen ist dann auch beim Collis vom Benetto die Luft draussen. Nochmal Glück gehabt.

(30) Fotofinnish

Finde vier Gavel-Athleten.
Zugegeben, ein paar Fotomomente habe ich verpasst. Einmal standen zwei Radrentner in Vollmontour im lauschigen Wald und hielten einen Schwatz im Steilhang. Und einmal hätte ich gerne eine junge Frau fotografiert, die vor mir den Sonnenuntergang über den Weinbergen knipste. Aber wir rollten dann ins Ziel, den Schlussteil kannten wir ja. Und jetzt durfte ich es laut sagen, endlich: Ohne Panne! Wir versuchten die Ziellinie zu viert zu überfahren, es klappt so halb, Team Gavel, Fotofinish. Aber der Fotograf ist natürlich wieder einmal nicht da. 

(29) Last climb

Die Schatten werden länger, aber es ist noch hell, als das Ziel näher rückt.
Dann sieht man plötzlich einen, der am Wegrand mit einem schrecklichem Achti steht, ui, das Rad ist futsch. Aber der Fahrer sieht ok aus. So weit kann es nicht mehr sein. Und während man bei Radda die Kurven hinauf kriecht, überholt ein anderer und ruft munter: «come on, last climb!» «Certo?» Es kam bisher immer noch ein Hügel. Aber jetzt ist glaub gut.

(28) Ein Schuss Regen


     
Die Wolken am Himmel sind wie modelliert für ein Gemälde.
Irgendwann, die Szenen geraten in der Erinnerung gern durcheinander, man wähnt sich im Val de Travers oder in den Pyrenäen, da überholt man ein tapferes Tandem. Und auf der Abfahrt gibt es sogar einen Sprutz Regen, aber es lohnt sich nicht einmal das Jäckchen anzuziehen. Obwohl das einige tun, vielleicht weil sie es nicht vergeblich mitgenommen haben wollen.

(27) No Fotostop here

Zeit für Formularitäten muss halt sein: Stempeln und weiter gehts.
Oben will Mäsi eben noch kurz die schöne Kirche von innen anschauen, während nebenan in einer Bar schon fröhliche Feste im Gang sind, denn es geht dem Ende zu. Was für ein Renntag, doch Mäsi fügt sich dem Teamorder, keine Zeit für Kunst jetzt, wir wollen heim. Helden mit Stalldrang.

(26) Die Kirche von Volpaia


Dieser Hund bleibt immer am gleichen Ort. So kann man sich nicht verfahren.
      Dann fahren wir einmal falsch, Mäse merkt es zum Glück rasch, er hat das Navi im Blut. Und ich gewinne ein paar Meter, als Letzter. Alles hat seine Vorteile. Wir kehren um, ein paar andere sind uns schon gefolgt, den falschen Weg, sie checken es nicht. Achso, jetzt wird auch klar wieso: Die Streckenposten an der Kreuzung haben sich versteckt. Die brauchen wohl auch eine Pause. Für die Kirche von Volpaia oder wie sie heisst, haben wir keine Zeit.

Sonntag, 2. Oktober 2016

(25) Schlachtfeld

Ristoro quatro.
Oben am nächsten Hügel wartet dann sogar eine warme Mahlzeit. Es ist noch früher Nachmittag, manche gönnen sich ein Nickerchen. Sie kennen sicher die Fabel vom Hasen und von der Schildkröte.

(22) Bella Musica

Der Metzger von Panzano macht auch Musik: Er versteckt hinter der Schürze eine Trompete.
Neben gelegentlichen Ausrufen wie «Troppo asfalto» in extrasteilen Aufstiegspassagen oder «Occhio!» bei der Abfahrt erweist sich die Musik auf den Lippen als Muntermacher. «Ei ei ei, Musica, ei ei ei, bella Musica», besinge ich die Schönheit von Nella Martinetti und die ollen Olivenheinis, die uns da im Auto entgegen rollen. Einmal stehen sogar Schweizer am Streckenrand, die das Lied kennen. Sie jubeln uns zu, wie motivierend!

(24) Der Metzger


    
Nach dem Metzger ist vor dem Metzger: Letzter Halt, sehr lange geht es nicht mehr.
Die Pausen werden immer besser, und vor allem die Abstände der Ristori immer kürzer. Bei Panzano gibt es Wasser, und der berühmte Metzger Dario Cecchini steht mit einer Tröte vor seiner Antica Macelleria und muntert die Radler auf. Auf Wiedersehen, wir müssen weiter!

(23) Das blöde Pedal


Das champagnergüldene Benotto ist zwar unschlagbar, aber es wimmelt im Chianti von schönen Rahmen.
Der unverkäufliche Benotto-Göpel hat sehr schöne Metallpedalschlaufen. Verziert sind sie, aber das Anfahren ist tückisch: Man kommt nicht sehr ring in die Pedalen rein. Ein aprupter Wechsel des Gefälles, und schon bin ich im Aufstieg, muss treten, aber mein rechter Fuss ist eben nicht im Pedal. Halten kann man jetzt nicht mehr. So kriegt die Metallschlaufe ein paar Verzierungen mehr, kratz, kratz, kratz, bei jedem Tritt ein Zinken. Schön ist das nicht, für mein armes Mietvelo, aber nichts bleibt wie es ist.

(21) Mortirolo Bianco


Ob jetzt dieses gelb schöner ist als das champagnergüldene? Momentan gibt es andere Probleme.
Jetzt wird’s richtig steil. Selbst der Seitenwagentöfftyp muss stossen, der Pressewagen röchelt, spult und hustet. 20 % sollen es sein, aber da gibt es zähe Kerle, die trotzdem alles fahren, wohl aus Prinzip, oder sie haben kleine Gänge. Einer im «Weinmann-La Suisse» Teamshirt aus den Achzigern hat noch ganz gute Beine. Oben wird er über mein «Benotto» lachen, dabei hält sich der Göpel ganz tapfer, bis jetzt. Nur als die Bianchi-Girls an uns vorbei huschen, scheint mir, das alte Rad habe kurz geächzt.

(20) Schlosspark

Zweite Pause, erster Stempel: Am Kontrollposten gibt es einen Schluck Rotwein.
Bis zur zweiten Pause geht es nicht mehr so lang. Plötzlich kurvt man um ein Landgut herum, nanu, ach so, hier ist er, schon der zweite Stopp. Ein Stempel gibts und einen Schluck Chianti, das muss sein. Dabei treffen wir einen rüstigen Rentner, der in den 50ern ein Restaurant in Zürich hatte und im Veloclub Küsnacht fuhr.

(19) Ritter der Landstrasse


Die Pumpe gehört auf jede Velotour, auf vorgestrige sowieso.
      Das Glück ist nicht allen hold. Kurze Zeit nach dem ersten Halt steht einer am Strassenrand und fragt nach einer Pumpe, wir halten an und geben ihm unsere. Nur nicht an die Collis denken, denke ich, als mir der Ersatzpneu hinten vom Sattel fällt. Meine Güte, es gibt Gründe, warum zeitgenössische Gümmeler nicht mehr mit Collis fahren, der Schwalbeschlauch hat seine Vorteile. Sorry für die Schleichwerbung. Die begegnet einem an der Eroica überall, schleichend und sausend an nassen Wollrücken, zumeist für Glacé oder andere gute Dinge, die es vor 30 Jahren mal ganz neu gab.

(18) Ristoro Uno


Dieses Hochrad hat sich auch eine Pause verdient.
Nach etwa 50 Kilometer ist plötzlich der erste Halt da, der Stopp ist so neu wie die Chianti Classico Route, sogar für mich scheint alles etwas improvisiert. Wasser gibt es hier zum Beispiel nicht, leider, aber dafür ein paar feine Häppchen und eine kurze Pause. Wir stärken uns und fahren frohgemut weiter. Keine Panne bisher, denke ich ein erstes Mal und hocke aufs Maul.

(17) Occhio, una Fuga

Hinter jeder Kurve kann ein Fotograf lauern.
Auch Klaus hat seine Energieanfälle. Einmal fahren wir freudig rufend an einer anderen Gavel-Grüppchen vorbei. Klaus gibt Gas und die fremden Gavel-Kameraden spotten ihm hinterher: «una fuga!» Man trifft sich immer wieder unterwegs, kaum jemand hat es pressant. Es ist ja kein Rennen. 

(16) Euphorie ist Unsinn

Am ersten lauschigen Waldaufstieg stehen Kerzchen am Wegrand. Die meisten mögen noch gut.
Der Kerzchenweg kommt, meine Kameraden kennen ihn schon, und mich packt das Rennfieber. Ei, ein seccer Antritt am Fuss des Berges, es ist nur eine Finte, aber noch hat es Saft in den Waden, und Klaus ist der Beste, er ordert mich zurück: «Mach ke Scheiss, es god no lang!» Wie recht er doch hat. Später werden wir noch ein paarmal Gelegenheit haben zu einem gesitteten Gespräch on Tour.

(15) Anrollen

Auch die Presse fährt stilvoll mit.
Velofahren ist Rock n’Roll. Ach, das Herz ist sofort warm und die gute alte Zeit ist zurück! Vor der ersten Abzweigung flitzt ein Spinner vorbei, am Hinterhelm eine Go-pro-Kamera montiert, um den Freund am Hinterrad zu filmen. Ja, die Medien sind halt auch nicht mehr das, was sie einmal waren. An der Eroica dagegen stehen Fotografen überall am Wegrand, wie einst, 100 Meter weiter hinten steckt einem die Assistentin eine Visitenkarte zu, um das Souvenirs abzuholen.

(14) Am Start

Eines Morgens in Gaiole: Man reiht sich ein ins Abenteuer.

      Unsere Team-Basis ist ja ein Castello, man schläft darin vorzüglich und macht sich von Lecchi aus auf den Weg nach Gaiole. Ca. 10 Kilometer vor dem Zmorge Anfahrt zum Startgelände, easy. Erst um 8 sollen wir dort starten, die Angaben sind allerdings widersprüchlich. Die ersten Helden der grossen Runde sind schon im Dunkeln gestartet, vor Stunden, doch wir sind nicht allein dort und pünktlich. Ein Gruppenfoto noch, eingereiht und dann geht es los. Feststimmung bricht aus! Und die Organisatoren kontrollieren übrigens tatsächlich das Material. Ein Kamerad wird zur Seite gerufen: Er hat Klickpedale, und das gab es 1986 noch nicht. Armer Kerl, er muss sich eine Moralpredigt anhören, bevor er radeln darf. Unterwegs schleicht sich dann tatsächlich ein Mountainbiker ins bunte Retro-Peloton. Er wird ignoriert und trägt auch keine Startnummer, der olle Ignorant. Vielleicht ein Tourist aus der Gegend, wer weiss.

Samstag, 1. Oktober 2016

(13) Carbo loading

      
Gutes Essen vor, während und nach dem Rennen gehört dazu.
«Carbo loading» ist in den Tagen vor dem Effort das Thema, das weiss Andy gut, nur nicht zuviel tun. So essen wir sehr viel, zur Pasta gibts auch etwas Fleisch, kann nicht schaden, weil Mäse so gern Ossobucco macht und es auch zuhause nicht so grosse Rindssteaks gibt. Und dann doch noch etwas durch die Toscana fahren. Ich lerne den Montelucapass kennen. Langsam kriege ich eine Idee von den Bergen hier. Ein Kamerad vom Mäsi soll sich «shut up legs» auf die Schenkel tätowiert haben, frei nach Armstrong.

(11) Service

      
Von Daniel zirkuliert das falsche Gerücht, er sei Cipollinin Mech gewesen. 
      Der Mechaniker Daniel im «Consorzio Agrario Di Siena» von Gaiole ist grad noch frei, das wird sich ändern. Und er flickt für 30 Euro mein Gangkabel und behebt den Platten nach Art des 20. Jahrhunderts. Der Collis soll einen Tag härten, deshalb leiht Daniel mir ein grünes Rad für einen Tag, am Samstag soll ich zurück kommen und für den Sonntag hart pumpen: Vorne 8 bar, hinten 9 bar. Alles klar, tante grazie.